Vorschläge zum Referendum wären weitere Stärkung der direkten Demokratie
Anja Müller, Sprecherin für Demokratie und Verfassung der Fraktion DIE LINKE zur heutigen Anhörung des Verfassungsausschusses zum Thema Einführung des fakultativen Referendums in Thüringen:
„Die überwiegende Zahl der Anzuhörenden bewertet die Einführung des fakultativen Referendums als eine Stärkung der direkten Demokratie in Thüringen und eine sinnvolle Ergänzung zum schon vorhandenen Instrument des Volksbegehrens. Die von der CDU vorgelegten Vorschläge sind an entscheidenden Stellen aber noch verbesserungsbedürftig. Das fakultative Referendum erlaubt den Bürger: innen vom Parlament beschlossene Gesetze in einem Volksentscheid der Bevölkerung zur Bestätigung oder Aufhebung vorzulegen. Dazu müssen die Initiatoren eines Referendums eine bestimmte Anzahl von Unterschriften sammeln (Quorum). Die meisten Anzuhörenden machten darauf aufmerksam, dass für das Referendum ein Quorum von 2,5 Prozent ausreichend ist.
Das Quorum für Volksbegehren sollte im Vergleich dazu etwa das Doppelte betragen, also fünf Prozent. Und die meisten Anzuhörenden fordern, sowohl für das Referendum wie auch für das Volksbegehren den so genannten Finanzvorbehalt abzuschaffen. Denn das faktische Verbot über Themen abzustimmen, die Geld kosten, ist derzeit die größte Bremse für eine umfassend wirksame direkte Demokratie in Thüringen. Leider sehen die CDU-Vorschläge zum Referendum aber diesen Bremsklotz noch vor, während der R2G-Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Volksbegehren, der am 17. Mai im Verfassungsausschuss angehört wurde und dort viel Unterstützung bekam, die Abschaffung des Finanzvorbehalts enthält. Einige Anzuhörende machten auch den Vorschlag, das Instrument des fakultativen Referendums praktisch zu testen, in dem man in einem ersten Schritt nur bestimmte Fälle für die Anwendung des neuen Instruments öffnet. Sollte man sich für einen solchen „Testlauf“ anhand bestimmter Themen entscheiden, würde sich nach Ansicht der LINKE-Fraktion anbieten, dies bei Verfassungsänderungen zu tun, weil es hier um ganz grundsätzliche gesellschaftspolitische und rechtliche Entscheidungen geht und die Menschen in Thüringen dies mitentscheiden sollten. Hessen kennt sogar ein verpflichtendes („obligatorisches“) Referendum für alle Verfassungsänderungen – soll heißen: alle Verfassungsänderungen müssen zu ihrem Inkrafttreten durch einen Volksentscheid bestätigt werden, die Durchführung eines solchen Volksentscheids hängt von keiner Unterschriftensammlung ab.
Für die weitere Arbeit am Thema sehr wichtig sind auch die umfangreichen Erfahrungen, die Anzuhörende aus der Schweiz in die Anhörung eingebracht haben. Die Schweizer Erfahrungen zeigen, dass die neue Regelung in Thüringen unbedingt eine sogenannte „Dringlichkeitsklausel“ braucht, um Gesetze sofort in Kraft setzen zu können, die keinen Aufschub dulden. Auch diese wichtige Dringlichkeitsklausel fehlt in den CDU-Vorschlägen. Aber gerade diese Klausel verhindert die von Kritikern monierte „Blockadewirkung“ von Referenden. Die LINKE-Fraktion hatte sich schon in der Referendumsdiskussion der vergangenen 6. Wahlperiode dafür ausgesprochen, das neue Instrument in einer gesellschaftspolitisch und rechtlich sinnvollen Ausgestaltung auch in Thüringen zu nutzen. Zu dieser sinnvollen Gestaltung gehört auch die Möglichkeit der verfassungsgerichtlichen Überprüfung von Referendumsverfahren mehrere Anzuhörende haben eindringlich darauf verwiesen, dass das fakultative Referendum auch die inhaltliche Gesetzgebungsarbeit der Parlamente verbessert, das Instrument macht die parlamentarische, d. h. repräsentative Demokratie noch repräsentativer und damit stärke.
Das Instrument bewirkt während der Unterschriftensammlung und vor dem Volksentscheid eine Belebung der gesellschaftspolitischen Diskussion zu wichtigen Sachthemen und eine Erhöhung der Akzeptanz der parlamentarischen Gesetzesbeschlüsse. Wie Erfahrungen aus der Schweiz zeigen – so mehrere Anzuhörende – wird zum einen nur ein kleiner Teil der Gesetzesbeschlüsse tatsächlich in ein Referendumsverfahren gezogen und bei den Fällen, die dann in den Volksentscheid kommen, wird in mehr als zwei Dritteln der Fälle die Entscheidung des Parlaments bestätigt. Angesichts dieser ganzen Tatsachen lohnt es sich nach Ansicht der Linksfraktion auf jeden Fall, ausgehend von den Ergebnissen der heutigen Anhörung an der Einführung des fakultativen Referendums in Thüringen ernsthaft zu arbeiten. Wir hoffen hier in der weiteren Diskussion und Beratung auf konstruktive Offenheit vor allem bei den anderen R2G-Fraktionen und auch bei der CDU.“